Für ein effizient gesteuertes Gesundheitswesen sind statistisch zuverlässige Daten auf Basis einheitlicher Begriffssysteme notwendig, wie z.B. Klassifikationen, Nomenklaturen und Thesauri. Im Folgenden sollen Klassifizierungssysteme vorgestellt werden, die eine eindeutige Identifikation von Diagnosen, Behandlungen, Messwerten etc. möglich machen.
Standards sorgen für Interoperabilität und überwinden Sprachbarrieren, sie lassen Informationen global nutzbar werden. Der Gegensatz von Standards sind Eigenentwicklungen (proprietäre Entwicklungen).
ICD
1855 wurde erstmals von dem Londoner Gesundheitsstatistiker William Farr eine Liste mit 136 Todesursachen vorgelegt, die Allgemeinkrankheiten, lokalisierte Organkrankheiten, Entwicklungskrankheiten und Verletzungen unterschied. Da die ICD Krankheiten immer noch primär nach diesen Kriterien einteilt, kann man Farr als "Vater" der ICD bezeichnen. Die Kapitel werden oft nach groen Krankheitsgruppen eingeteilt. Diese Krankheitsgruppen sind wiederum nach Topographie (wo im Körper befindet es sich), Ätiologie (Herkunft der Krankheit, z.B. Infektion), Pathologie (Art der Erkrankung) und Sonstiges gruppiert.
ICD-10: Die ICD-10 wird seit dem 01.01.1998 für die Verschlüsselung von Todesursachen eingesetzt und ist die Grundlage der amtlichen Todesursachenstatistik.
ICD-10 schafft Transparenz im vertragsärztlichen Bereich und dient der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Zudem ist sie Grundlage der Krankenhausdiagnosenstatistik und ermöglicht die Abrechnung nach dem Vergütungssystem der Diagnosis Related Groups (DRG).
OPS
Der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) (früher: OPS-301) ist die deutsche Modifikation der Internationalen Klassifikation der Prozeduren in der Medizin (ICPM) und heute die offizielle Prozedurenklassifikation für Leistungsnachweise und -abrechnung der deutschen Krankenhäuser und niedergelassenen Ärzte. Das DIMDI ist auch Herausgeber des Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) nach § 301 SGB V, der jährlich aktualisiert wird.
LOINC
Als nächstes soll nun ein Klassifizierungssystem vorgestellt werden, mit dem es möglich ist Messwerte und die Anamnese genau zu beschreiben, die LOINC. LOINC steht für Logical Observation Identifiers Names and Codes und ist ein international anerkanntes System zur eindeutigen Verschlüsselung von Untersuchungen, insbesondere im Laborbereich, und ist für den effektiven Datenaustausch mit anderen medizinischen Systemen in Klinik oder Praxis einsetzbar.
LOINC ist ein Interoperabilitätsstandard auf der semantischen Ebene. D.h. es bedarf weiterer Standards wie HL7, um beispielsweise Laborwerte zwischen IT-Systemen austauschen zu können. HL7 V2 überträgt solche Werte im OBX-Segment:
OBX|1|SN|1554-5^GLUCOSE^POST 12H CFST:MCNC:PT:SER/PLAS:QN^LOINC||^182|mg/dl|70_105|H|||F
Man kann auch behaupten, HL7 stelle die syntaktische Interoperabilität sicher und bediene sich für die Semantik weiterer Standards wie hier LOINC und UCUM für die Einheiten.
SNOMED-CT
SNOMED CT ist ein semantischer Standard und ein System zur Abbildung von klinischen Informationen inkl. Arzneimittel Es beinhaltet ca. 300.000 Konzepte, Bezeichnungen (ca. 800.000) und ca 1 Million Beziehungen. Es ist feingranularer als ICD/OPS und v.a. im englischsprachigen Raum weit verbreitet. Jedoch liegt aktuell keine deutsche Übersetzung vor.
Es wird des Weiteren zwischen Prä- und Postkoordination unterschieden. Hier liegt der Unterschied im Zeitpunkt der Kombination der benötigten Begriffe für ein Krankheitsbild (vor bzw. zum Verwendungszeitpunkt). Die Präkoordination stockt den ständigen Bestand von Begriffen auf, postkoordinierte Kombinationen dienen meist nur der Ergänzung im Befund.
SNOMED-CT ist in Deutschland auch noch nicht eingeführt, weil das eine immense Investition erfordern würde. Dies lohnt sich nur, wenn die freiwillige Anwendung der eGK flächendeckend genutzt wird. Dazu muss jedoch die Betreibergesellschaft der eGK die vielen Potentiale der eGK erkennen und nutzen. Welche Voraussetzung zuerst erfüllt sein muss, damit die Entscheidung zu Gunsten von SNOMED CT fällt, bleibt offen.
UCUM
Das UCUM (Unified Code for Units of Measure) ist ein internationales Kodierungssystem für physikalische Maßeinheiten. Es wird z.B. von HL7 verwendet, um die Einheit für einen Messwert eindeutig und maschinenlesbar zu kodieren.
HL7
HL7 (Health Level 7) ist ein Set internationaler Standards für den elektronischen Austausch von medizinischen, administrativen und finanziellen Daten zwischen Informationssystemen im Gesundheitswesen. HL7 zielt darauf ab, Formate und Protokolle zum Austausch von Datensätzen und Dokumenten zwischen Computersystemen im Gesundheitswesen bereitzustellen. Ein weiteres Ziel ist die Standardisierung der auszutauschenden Inhalte und damit eine Vereinheitlichung der Schnittstellen (semantische Operabilität). HL7 ist ein syntaktischer Kommunikationsstandard und wird in Deutschland bisher hauptsächlich im KH-Bereich eingesetzt. Weitere Informationen sind in diesem Artikel bereitgestellt.
MedDRA
Das ist eine inhaltsreiche und hochspezifische, standardisierte medizinische Terminologie - im Rahmen des ICH entwickelt, um den internationalen Informationsaustausch bezüglich zulassungsbehördlicher Auflagen für von Menschen benutzten Medizinprodukten zu erleichtern.
Dieses leistungsstarke Tool – nämlich MedDRA - des ICH kann von allen bei der Zulassung, Dokumentation und Überwachung der Sicherheit von Medizinprodukten sowohl vor als auch nach der Zulassung benutzt werden. Der Umfang von MedDRA beinhaltet Pharmazeutika, Biologika, Vakzine sowie Arzneimittel/Geräte-Kombinationen.
Gegenwärtig ermöglicht die zunehmende weltweite Benutzung von MedDRA durch Zulassungsbehörden, pharmazeutische Firmen, klinische Forschungsorganisationen und im Gesundheitswesen tätige Fachkräfte besseren globalen Schutz der Gesundheit von Patienten (Quelle: MedDRA.org).
ATC
Die ATC (Anatomisch-Therapeutisch-Chemikalisch) ist eine internationale Klassifikation für Arzneimittel. Wirkstoffe werden nach dem Organ oder Organsystem, auf das sie einwirken und nach ihren chemischen, pharmakologischen und therapeutischen Eigenschaften in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die DDD (Defined daily dosis) ist die definierte Tagesdosis.
Insulin Glargin hat beispielsweise den ATC-Code "A10AE04":
A | Alimentary tract and metabolism |
10 | Drugs used in diabetes |
A | Insulins and analogues |
E | Injection, long-acting |
04 | Insulin glargine |
Wirkstoff und Dosis können aus dem ATC-Code heraus gelesen werden, der Händer jedoch nicht. Es ist für den internationalen Austausch von Gesundheitsinformationen nicht geeignet, wird jedoch praktisch verwendet. Der Grund für die Nicht-Eignung ist die differierende pharmako-dynamische Wirkung, die ein Medikament besitzen kann, wenn es von unterschiedlichen Herstellern produziert wird.
PZN
Die Pharmazentralnummer ist eine Identifikationsnummer zur einheitlichen Kennzeichnung der auf dem Markt verfügbaren Pharmatika und apothekenpflichtigen Medizinprodukte. Ihre Vergabe und Aufnahme in die EDV der Apotheken erfolgt durch die IFA (Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten) nach entspr. Antragsstellung des Herstellers.
Sie wird für Bestellungen (im Online-Versandhandel), als Abrechnungsgrundlage für Apotheken mit den Krankenkassen und als Bestell- und Kennzeichnungsnummer im pharamzeutischen Warenverkehr verwendet. Sie beinhaltet weder Informationen über den Hersteller noch über den Wirkstoff.
Die Semantik lautet wie folgt (Prüfziffer am Ende):
PZN-[siebenstellige Nummer] [0-9]
DRG
Die Diagnosis Related Groups (DRG) lösen dieses System ab. Diese "Diagnosebezogene Fallgruppen" bilden die Grundlage für ein leistungsorientiertes Vergütungssystem. Es findet eine Zuweisung einer bestimmten Vergütung pauschal je nach Schweregrad des Behandlungsfalls statt. Ziele für die Einführung waren u.a., Transparenz und Vergleichbarkeit für Krankenhausleistungen zu erreichen.
Definition: Haupt- und Nebendiagnose
Eine Hauptdiagnose beschreibt eine Diagnose bzw. Krankheit, die rückblickend maßgeblich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts war. Die Nebendiagnose dagegen ist nicht maßgeblich für die Einweisung gewesen. Sie enthält bereits bestehende Begleiterkrankungen oder auch Krankheiten, die während des Aufenthalts entstanden sind.
Eine Fallgruppe wird beschrieben durch die Hauptdiagnose, Nebendiagnose, Maßnahmen, Alter, Geschlecht, Beatmungszeit und zum Teil auch Verweildauer.